Was wäre, wenn Verwaltung Netzwerke für den Klimaschutz vorantreiben würde?
Veit Moosmayer, Nachhaltigkeitsmanager, Stadt Freiburg
Als die Stadt Freiburg das Ziel „Klimaneutralität bis 2035“ beschlossen hat, war uns sofort klar: Das ist mehr als ein verwaltungsinterner Auftrag, sondern eine Gemeinschaftsaufgabe. Aber wie bringen wir alle mit ins Boot, Unternehmen, Vereine, Handwerksbetriebe, Schulen, Hochschulen und weitere?
Viele Akteur:innen in der Stadt Freiburg hatten sich bereits für den Klimaschutz engagiert, aber oft voneinander isoliert. Und gleichzeitig gab es viele, die gerne mit Klimaschutzmaßnahmen starten wollten, aber nicht wussten, wie. Aus dem Freiburger Nachhaltigkeitsrat kam daher der Impuls, ein einladendes und flexibles Dach für alle Engagierten zu bieten. Gemeinsam mit dem Oberbürgermeister und der Umweltdezernentin haben wir so die Idee des Freiburger Klimapakts entwickelt.
Unsere Vision ist ein offenes und langfristig angelegtes Netzwerk, das alle Akteur:innen im Stadtgebiet einlädt, sich gemeinsam mit der Stadtverwaltung auf den Weg zur Klimaneutralität zu machen. Mitglieder unterzeichnen eine freiwillige Klimaschutzvereinbarung, setzen sich eigene Klimaziele und bekommen von uns als Stadtverwaltung sowie der neu gegründeten AG Klima des Freiburger Nachhaltigkeitsrats Unterstützung, wie sie diese erreichen können.
Heute, rund neun Monate nach dem Start, haben bereits knapp 100 Organisationen unterzeichnet. Darunter soziale Träger:innen, Krankenhäuser, Bildungsinstitutionen, Wirtschaftsunternehmen, Initiativen, Kultureinrichtungen und kirchliche Organisationen. Das ist ein guter Querschnitt der gesellschaftlichen Akteur:innen unserer Stadt. Besonders wirkungsvoll war die persönliche Ansprache durch unseren Oberbürgermeister. Dieser hat persönliche Briefe an Organisationen im ganzen Stadtgebiet verschickt, mit dem Aufruf, sich am Freiburger Klimapakt zu beteiligen.
Wir möchten die Mitglieder des Freiburger Klimapakts motivieren, zusammenzuarbeiten und das gemeinsame Lernen voranzutreiben. Mit offenem Austausch, kostenlosen Fachveranstaltungen, praktischen Tools wie beispielsweise zur CO₂-Bilanzierung und vor allem dem guten Gefühl, gemeinsam mehr bewirken zu können.
Viele unserer Mitglieder stehen nicht ganz am Anfang, sondern haben bereits ihre erste CO₂-Bilanz erstellt, ihre Gebäude saniert oder ihre Fahrzeugflotten umgestellt. Wir sehen nach und nach, wie aus ihrem Erfahrungsaustausch neue gemeinsame Ideen entstehen, wie Organisationen einander beraten, voneinander lernen, sich inspirieren.
Bei der Entwicklung des Freiburger Klimapakts haben wir früh damit begonnen, uns an bestehenden Klimabündnissen in anderen Kommunen zu orientieren: Dazu waren wir mit Städten wie Krefeld, Augsburg, Düsseldorf und Flensburg im Austausch und haben von den positiven und herausfordernden Erfahrungen in ihren Klimabündnissen gelernt: über persönlichen Kontaktaufbau und der Akquise bis hin zum Community-Management.
Dabei haben wir nicht nur nachgenutzt, sondern die Strukturen auch an die lokalen Gegebenheiten in unserer Stadt angepasst. Mittlerweile führen auch wir Gespräche mit interessierten Städten und geben unsere Erfahrungen offen weiter. So schließt sich der Kreis: Nachdem wir von anderen Kommunen lernen und nachnutzen konnten, sind wir jetzt selbst zu Multiplikator:innen geworden, als Teil eines lernenden Netzwerks über Stadtgrenzen hinweg.
Für unsere Nachnutzung und Weitergabe wurden wir mit dem Ko-Pionier-Preis in der Kategorie „Gesellschaftlicher Zusammenhalt“ ausgezeichnet. Diese Auszeichnung ehrt und bestärkt uns darin, dass gemeinsames Lernen und Nachnutzen zentrale Erfolgsfaktoren für den Klimaschutz in Kommunen sind.
Gleichzeitig hatten wir auch Herausforderungen bei der Entwicklung des Freiburger Klimapakts. Gerade das Thema Transparenz war und ist eine echte Herausforderung. Bei freiwilligen Selbstverpflichtungen ist die Balance schwierig. Wir wollen Vertrauen schaffen, ohne Druck auszuüben und trotzdem klarmachen, dass eine Teilnahme am Klimapakt kein bloßes Lippenbekenntnis sein darf.
Es hat Zeit gebraucht, ein Vertrauensverhältnis zu schaffen, in dem sich unsere Mitglieder offen zu ihren Zielen und auch zu Schwierigkeiten bekennen. Wir möchten nicht öffentlich bloßstellen, aber gleichzeitig eine klare Erwartungshaltung zeigen. Und wer Unterstützung braucht, bekommt sie auch von uns.
Eine weitere Herausforderung sind die unterschiedlichen Anforderungen unserer Mitglieder. Ein Handwerksbetrieb braucht andere Unterstützungsformate als ein Universitätsklinikum. Deshalb haben wir früh damit begonnen, flexibel zu agieren. Heute bieten wir verschiedene Einstiegsmöglichkeiten, abgestufte Materialien und Formate, die praxisnah, zugänglich und anschlussfähig für unterschiedliche Voraussetzungen und Kapazitäten sind.
Denn der Freiburger Klimapakt ist kein starres Programm, sondern ein Lernlabor. Damit ein solches Netzwerk wächst und trägt, braucht es verlässliche Koordination mit festen Ansprechpartner:innen, Beziehungsarbeit und Ressourcen. Und nicht zuletzt zeigt sich immer wieder, dass Klimaschutz ein starkes Gemeinschaftsgefühl braucht. Sichtbarkeit, Wertschätzung und das Gefühl, Teil von etwas Größerem zu sein, motivieren oft mehr als reine CO₂-Zahlen.
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Diesen Text haben wir am 11. September 2025 in unserem Re:Form-Newsletter versendet. Melde Dich jetzt an und erhalte die neuesten Ausgaben direkt in Dein Postfach.
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