Was wäre, wenn wir Infrastruktur einfacher machen würden?

Arne Schneider, Haushaltsdirektor der Freien Hansestadt Hamburg

Nachdem die Koalitionsverhandlungen im Bund abgeschlossen sind und eine neue Bundesregierung gebildet wurde, wird der Bund mit einem Bundesgesetz das Sondervermögen für Investitionen in die Infrastruktur und den Klimaschutz mit einer Laufzeit von zwölf Jahren errichten. Aus dem Sondervermögen von bis zu 500 Milliarden Euro stehen den Ländern 100 Milliarden Euro auch für ihre Infrastruktur zur Verfügung. Das Errichtungsgesetz des Bundes bedarf der Zustimmung der Länder im Bundesrat.

Sowohl die Mittel aus dem Infrastruktursondervermögen des Bundes als auch die neuen Kreditaufnahmemöglichkeiten der Länder müssen genutzt werden, um eine funktionierende und moderne Infrastruktur staatlicher Einrichtungen zu sorgen. Bei der Verwendung der Mittel muss der Blick ganz besonders auf die Effizienz und Effektivität des Mitteleinsatzes gelenkt werden

Die Maßnahmen des Sondervermögens müssen zielgerichtet auf die Gewährleistung einer funktionierenden Infrastruktur staatlicher Einrichtungen ausgerichtet sein. Deshalb muss die Beschreibung der Sondervermögenszwecke von Anfang an erkennen lassen, welche Ziele angestrebt werden, wie diese Ziele messbar sind und wie die Zielerreichung kontrolliert werden kann. Bei allen Maßnahmen, die aus dem Sondervermögen finanziert werden, muss erkennbar sein, mit welchem Wirkungsgrad die Maßnahmen dazu beitragen, tatsächlich eine funktionierende Infrastruktur zu gewährleisten. 

Um die staatliche Infrastruktur schnellstmöglich zu modernisieren, sind bei der Errichtung des Sondervermögens, der Ausgestaltung der Fördergrundsätze sowie den Rahmenbedingungen für die Projektrealisierung insbesondere folgende Punkte zu beachten:

  • Ergebnisorientierung: Die Mittelverwendung des Sondervermögens muss auf Ziele ausgerichtet und die Wirkungen der eingesetzten Mittel müssen anhand von aussagefähigen und messbaren Kennzahlen beurteilt werden.
  • Länderglobalbudgets: Den Ländern sind ihre Mittel als Globalbudgets zuzuweisen. In den Länderglobalbudgets sind die Zwecke hinsichtlich ihres Inhalts sowie ihrer Zielsetzung und Dauer verbindlich festzulegen. Auf dieser Basis bekommen die Länder ihre Anteile pauschal übertragen und können ihre Prioritäten selber festlegen.
  • Gesamtverwaltungsvereinbarung: Für den Abruf von Mitteln aus dem gesamten Sondervermögen ist nur eine Gesamtverwaltungsvereinbarung zwischen dem Bund und den einzelnen Ländern abzuschließen. Die Bedingungen des Mittelabrufs sind für das gesamte Sondervermögen in einheitlichen Vollzugshinweisen zu regeln.
  • Einheitliche Förderbedingungen: Alle Förderrichtlinien für Mittel aus dem übrigen Sondervermögen werden in einer einheitlichen Systematik verfasst. Bei den Förderprogrammen darf es keine Überschneidungen der Förderzwecke geben.
  • Dezentrale Verantwortung: Auf detaillierte Verwendungsvorgaben sowie auf die Auflistung förderfähiger Maßnahmen wird so weit wie möglich verzichtet. Die Vorhabensträger entscheiden in dezentraler Fach- und Ressourcenverantwortung über den zweckentsprechenden Einsatz der Mittel.
  • Lange Förderlaufzeiten: Die Förderungen aus dem Sondervermögen müssen sich an realistischen Umsetzungszeiträumen orientieren und möglichst über die gesamten zwölf Jahre laufen. Somit können entsprechende Planungs- und Baukapazitäten aufgebaut und genutzt werden.
  • Vollfinanzierungen: Auf die Anforderung einer anteiligen Ko-Finanzierung durch die öffentlichen Vorhabensträger muss weitestgehend verzichtet werden. Das führt zu einer Beschleunigung der Maßnahmen und zu einer höheren Zahl von Vorhabensträgern, die die Maßnahmen umsetzen können.
  • Berücksichtigung von Eigenleistungen: Bei Förderprogrammen wird maßgeblich berücksichtigt, wenn die Vorhabensträger in Vorleistung gehen und zur Eigenleistung bereit sind.
  • Schneller Maßnahmenbeginn: Damit dringend notwendige Maßnahmen schnell umgesetzt werden können, wird für bereits vorliegende Konzepte und umsetzungsreife Projekte, sofern der korrekte Zielbezug mit entsprechenden Wirkungskennzahlen gegeben ist, unverzüglich der vorläufige Maßnahmenbeginn erteilt.
  • Unverzügliche Mittelbereitstellung: Der Bund muss in Vorleistung gehen und den Vorhabensträgern zum Maßnahmenbeginn ausreichende Mittel zur Verfügung stellen, damit eine Vorfinanzierung durch diese nicht notwendig ist.
  • Planungsfinanzierung gewährleisten: Den Baulastträgern und -trägerinnen werden die Kosten der Planungsleistungen für Sondervermögensmaßnahmen bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses bzw. bei Ausführungsbeginn erstattet.
  • Beschleunigte Vergabe: Zur Beschleunigung der Vergabeverfahren sollten die Wertgrenzen signifikant erhöht und die Ausschreibungsfristen verkürzt werden. Verhandlungsverfahren sollten auch ohne Teilnahmewettbewerb durchgeführt werden können. Eine Aufhebung des Zuschlags darf nur bei rechtsmissbräuchlichen und schwerwiegenden Vergaberechtsverstößen ausgesprochen werden dürfen.
  • Einfache Genehmigungsverfahren: Die Planungs- und Genehmigungsverfahren sind spürbar zu vereinfachen und zu beschleunigen. Soweit bei Bundesprojekten der Deutsche Bundestag, bei Länderprojekten das Landesparlament sowie bei kommunalen Projekten die Vertretung über Elemente eines Vorhabens entschieden hat, ist die Entscheidung für die Genehmigungsbehörde verbindlich.
  • Digitale Genehmigungsverfahren: Die baurechtlichen Verfahren sind unverzüglich zu digitalisieren. Das Genehmigungsverfahren sollte gesetzlich so gestaltet werden, dass es innerhalb eines digitalen Planungsprozesses (zum Beispiel Building Information Modeling) betrieben werden kann.
  • Einheitliches Portal: Die Abwicklung aller Förderprogramme des Sondervermögens erfolgt über ein einheitliches Portal des Bundes. Über das Portal erfolgt die Antragstellung, Bescheiderteilung, Mittelbereitstellung und die Nachweiserbringung ausschließlich in digitaler Form.
  • Aussagekräftige Berichterstattung: Über die zweckentsprechende Verwendung der Mittel ist anhand der erreichten Ergebnisse und Wirkungen zu berichten. Die Verwendungsnachweise sind möglichst einfach zu halten.
  • Föderale Verwendungsprüfung: Im Errichtungsgesetz des Sondervermögens ist festzulegen, dass sich der Bund bei der Prüfung der Mittelverwendung in den Ländern auf die Informationen der Rechnungsprüfungsbehörden der Länder und Kommunen beschränkt.

Mit der Beachtung dieser Punkte kann der Staat seine Handlungsfähigkeit unter Beweis stellen und unverzüglich für eine funktionierende Infrastruktur öffentlicher Einrichtungen sorgen. Wenn die Bürgerinnen und Bürger vor Ort erleben, dass die Mittel aus dem Sondervermögen effizient und effektiv im Sinne des Wohls der Allgemeinheit eingesetzt werden, stärkt dies das Vertrauen in den demokratischen und sozialen Rechtsstaat.

 

Diesen Beitrag haben wir am 10. April 2025 in unserem Re:Form-Newsletter versendet. Melde Dich jetzt an.

Georg Diez

The Bigger Picture

Wie verändert sich der Staat, wie verändert sich staatliches Handeln? In den USA sehen wir das Negativbeispiel – DOGE und Elon Musk wollen den Staat nicht verändern, sie wollen ihn abschaffen. Manche wollen ihn vielleicht in neuer Gestalt wieder aufbauen, aber das ist auch eher eine optimistische oder wohlwollende Vermutung angesichts des destruktiven Chaos, das die Grundlagen von Staatlichkeit, also Verlässlichkeit, Rechtssicherheit und Verantwortung, systematisch zerstört.

Was man sieht, im Negativen, ist dabei die Rolle von Geld als Druckmittel und Destruktivkraft. Indem Trump, Musk und Konsorten einfach den Geldhahn zudrehen, üben sie Macht aus, die Veränderung bewirkt, die sonst nicht möglich schien. Geld nun, konstruktiv gedacht, kann aber auch ein Mittel sein, Veränderungen zu ermöglichen, die den Staat substanziell so gestalten helfen, dass er für unsere Zeit die richtige Gestalt und Funktionsweise hat. Das Sondervermögen, so gesehen, kann doppelt helfen, Investitionen voranbringen und staatliche Strukturen erneuern.

Wichtig ist für die neue Koalition, dass deutlich wird, dass sie verstanden haben: Es braucht nicht nur einen neuen Politikstil, nicht nur ein ambitioniertes Projekt für Deutschland und für Europa – es braucht mehr als ein neues Was, es braucht ein neues Wie. Dieses neue Wie ist in Ideen und Prinzipien vorhanden, die Arne Schneider sehr aufschlussreich durchbuchstabiert. Es ist in Teilen des Zwischenberichts der „Initiative für einen handlungsfähigen Staat” ausformuliert. 

Es hat sich etwas verändert, und das macht Hoffnung. Es kann wirklich passieren, auch weil es passieren muss. Wir haben vier Jahre Zeit. Maximal.

Nach oben scrollen
Cookie Consent Banner von Real Cookie Banner