Fahrplan Staats­re­form: Mehr Durch­läs­sig­keit zwischen Verwaltung, Wirtschaft und Wis­sen­schaft

Neu: Unsere Sonderreihe zum Ko­ali­ti­ons­ver­trag
Wir blicken auf einen Ausschnitt aus dem Ko­ali­ti­ons­ver­trag – und fragen: Was muss jetzt konkret passieren, damit Re­form­ver­spre­chen Realität werden? Stimmen aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Zi­vil­ge­sell­schaft geben Impulse für eine Staats­mo­der­ni­sie­rung, die wirkt.

»Wir werden die Durch­läs­sig­keit zwischen Verwaltung, Wirtschaft und Wis­sen­schaft verbessern. Wir führen innerhalb der Bun­des­ver­wal­tung ein Verfahren zur Rotation von Personal zwischen Bund, Ländern, Kommunen und der EU ein.«

Aus dem Ko­ali­ti­ons­ver­trag, S.58.

Dr. Andreas Görgen, ehemaliger Ab­tei­lungs­lei­ter im Auswärtigen Amt und Amtschef bei der Be­auf­trag­ten der Bun­des­re­gie­rung für Kultur und Medien

Der Ko­ali­ti­ons­ver­trag verspricht mehr Durch­läs­sig­keit zwischen Verwaltung, Wirtschaft und Wis­sen­schaft. Doch klar ist: Worte im Vertrag reichen nicht. Es braucht jetzt konkrete Ver­än­de­run­gen auf drei Ebenen, damit die Verwaltung hand­lungs­fä­hig bleibt und zum Motor für Zukunft wird.

 

Erstens: Prozesse anpassen und Wechsel ermöglichen.

Wir brauchen eine an­ge­gli­che­ne Ko­or­di­nie­rung der Per­so­nal­pla­nungs­pro­zes­se über die föderalen Ebenen hinweg. Das betrifft vor allem das Verhältnis zwischen Bund auf der einen und Wirtschaft und Wis­sen­schaft auf der anderen Seite. Dabei geht es um Fragen wie die Al­ters­vor­sor­ge, die Möglichkeit von Frei­stel­lun­gen, und Rück­kehr­op­tio­nen. Denn wer aktuell in die Verwaltung wechselt, geht das reale Risiko ein, nicht in den vorherigen Job zu­rück­keh­ren zu können.

Der nächste konkrete Schritt muss also sein: Per­so­nal­ver­ant­wort­li­che aus Verwaltung, Wirtschaft und Wis­sen­schaft an einen Tisch zu bringen – mit dem Ziel, bis Ende des Jahres ver­bind­li­che Standards für Wech­sel­pro­zes­se bei Kran­ken­ver­si­che­rung, Rente und Co. zu definieren: Dann setzt man Prozesse auf, die es möglich machen, dass diese Wechsel auch funk­tio­nie­ren. Mit klarer politischer Rü­cken­de­ckung zeigen Per­so­nal­ver­ant­wort­li­che in der Verwaltung immer wieder, wie viel möglich ist. Sicher wird man auch neue Ver­trags­ge­stal­tun­gen finden müssen. Dann rollt man das anhand von ein paar konkreten Fällen aus.

 

Zweitens: Gemeinwohl sichtbar machen und Diversität fördern

Durch ein selbst­be­wuss­tes Auftreten von Verwaltung und Politik kann sich hier viel ändern. Wer für den Staat arbeitet, richtet seine Arbeit häufig nach ge­mein­wohl­ori­en­tier­ten Maximen – verglichen mit der Pri­vat­wirt­schaft, die teils deutlich höhere Gehälter bieten kann. Der wichtigste Leis­tungs­in­di­ka­tor für den Staat ist das Gemeinwohl. Dieses lässt sich jedoch schlecht in Zahlen abbilden. Wir müssen in allen Bereichen der Ge­sell­schaft dafür werben, dass es sich lohnt, sich für die Ge­samt­ge­sell­schaft einzusetzen. 

Dafür müssen wir öffentlich sichtbarer machen, wie sinn­stif­tend, an­spruchs­voll und gestaltend Arbeit in der Verwaltung ist. Viele Kompetenzen aus der Wirtschaft – Pro­jekt­ma­nage­ment, Kom­mu­ni­ka­ti­on, Strategie – sind auch im öf­fent­li­chen Dienst essentiell, nur werden sie oft anders benannt. Die Verwaltung braucht mehr Vielfalt an Per­spek­ti­ven und mehr Mut zur Aus­schrei­bungs­of­fen­heit, das über klassische Ju­ris­ten­pro­fi­le hinausgeht. Nur so entsteht ein Ver­wal­tungs­per­so­nal, das wirklich die Breite unserer Ge­sell­schaft abbildet – und für sie Lösungen entwickelt.

 

Drittens: Risikoräume schaffen

Ver­wal­tun­gen sind dafür geschaffen, gleich­för­mi­ge Ent­schei­dun­gen möglich zu machen. Die Ausübung von staatlicher Macht soll unabhängig von Zeit und Person sein. Gleich­zei­tig ist das politische System darauf angelegt, dass Fehler sehr hart sank­tio­niert werden und Risiko sehr gering belohnt oder gefördert wird.

Doch in einer Welt voller Un­si­cher­hei­ten ist das nicht mehr zeitgemäß. Wir brauchen Räume für Ver­ant­wor­tung, für gezieltes Risiko, für Innovation. Das heißt: mehr Pro­jekt­ar­beit, mehr befristete Regelräume, bessere Anerkennung von mutigen Ent­schei­dun­gen – auch wenn sie scheitern. Feh­ler­kul­tur darf kein Fremdwort mehr sein.

Die Durch­läs­sig­keit von Verwaltung, Wis­sen­schaft und Wirtschaft ist kein Selbstzweck, sondern wesentlich für einen hand­lungs­fä­hi­gen Staat und damit für eine zu­kunfts­fä­hi­ge Demokratie. Jetzt braucht es die Konsequenz, die notwendigen Schritte zu gehen.

Diesen Text haben wir am 20. Mai 2025 in unserem Re:Form-Newsletter versendet. Melde Dich jetzt an und erhalte die neuesten Ausgaben direkt in Dein Postfach.