Fahrplan Staats­re­form: Moderne Verwaltung braucht effiziente Beschaffung

Tassilo Schröck, Rechts­an­walt für öf­fent­li­ches Recht und Fachanwalt für Ver­ga­be­recht in der Kanzlei Redeker Sellner Dahs Rechts­an­wäl­tin­nen und Rechts­an­wäl­te. 

»Wir werden ein stra­te­gi­sches Be­schaf­fungs­ma­nage­ment im­ple­men­tie­ren. Behörden sollen künftig auf Rah­men­ver­trä­ge anderer öf­fent­li­cher Dienst­stel­len und auf zentrale Ein­kaufs­platt­for­men zu­rück­grei­fen dürfen. Die Be­stell­platt­for­men des Bundes (Kaufhaus des Bundes) machen wir zu einem digitalen Marktplatz für Bund, Länder und Kommunen und kon­so­li­die­ren Ver­ga­be­platt­for­men

Aus dem Ko­ali­ti­ons­ver­trag, S.65.

Von der App für eine Ver­wal­tungs­leis­tung über die Ein­satz­fahr­zeu­ge der Polizei bis zu Bü­ro­ar­ti­keln und Druckern: Auf die öffentliche Beschaffung entfallen schät­zungs­wei­se jedes Jahr Ausgaben in Höhe von 500 Milliarden Euro. Die öffentliche Beschaffung soll deshalb wirt­schaft­lich, nachhaltig und zugleich rechts­kon­form erfolgen – ins­be­son­de­re unter Beachtung des komplexen Ver­ga­be­rechts.

Ein Beispiel: Will eine Stadt Laptops für ihre Verwaltung beschaffen, muss sie sich erst einmal am Markt darüber informieren, welche Modelle ihre An­for­de­run­gen erfüllen. Die Er­kennt­nis­se aus der Markt­er­kun­dung müssen dann mühsam in eine de­tail­lier­te, pro­dukt­neu­tra­le Leis­tungs­be­schrei­bung überführt werden. Es folgt ein mehr­mo­na­ti­ges Ver­ga­be­ver­fah­ren, in dem Bie­ter­fra­gen beantwortet, Angebote ausgewertet und schließlich Ver­ga­be­ver­mer­ke geschrieben werden. Diesen Aufwand betreiben tausende Kommunen für das gleiche Stan­dard­pro­dukt. Die Folge: Die Par­al­lel­ar­beit strapaziert die ohnehin schon sehr knappen Ressourcen der Kommunen.

Mehr Kooperation zwischen den öf­fent­li­chen Auf­trag­ge­bern könnte das ändern. Werden Bedarfe gebündelt, entstehen Men­gen­vor­tei­le, und der Ver­fah­rens­auf­wand sinkt. Die Be­schaf­fungs­stel­len werden rou­ti­nier­ter und haben noch dazu einen besseren Markt­über­blick. Die Bun­des­be­schaf­fung GmbH (BBG) in Österreich oder die Union des Groupements d’Achats Publics (UGAP) in Frankreich bündeln deswegen im großen Stil, ver­wal­tungs­ebe­nen­über­grei­fend öffentliche Be­schaf­fun­gen.

In Deutschland existiert bislang keine ver­gleich­bar zen­tra­li­sier­te Be­schaf­fungs­struk­tur. Das Kaufhaus des Bundes ist eine elek­tro­ni­sche Be­stell­platt­form, auf der zahlreiche Rah­men­ver­ein­ba­run­gen über Stan­dard­pro­duk­te – etwa IT, Bü­ro­aus­stat­tung oder Fahrzeuge – be­reit­ge­stellt werden. Zentrale Be­schaf­fungs­stel­len des Bundes schreiben diese Rah­men­ver­ein­ba­run­gen regelmäßig nach den Regeln des Ver­ga­be­rechts aus. Für die technische Betreuung ist das Bun­des­be­schaf­fungs­amt (BeschA) zuständig. Ab­ruf­be­rech­tigt sind aber nur Bun­des­be­hör­den.

Dass die Koalition das Kaufhaus des Bundes zu einem digitalen Marktplatz für Bund, Länder und Kommunen ausbauen will, ist daher ein wichtiger Schritt. Doch wie muss dieser Marktplatz aufgebaut sein, damit er funk­tio­niert?

Der Marktplatz muss einen echten Mehrwert liefern. Länder und Kommunen werden den Marktplatz nur nutzen, wenn das Angebot ihren Be­dürf­nis­sen entspricht. Der Marktplatz muss deshalb von Beginn an nut­zer­ori­en­tiert und gemeinsam mit Ländern und Kommunen entwickelt werden. Dabei muss geklärt werden, welche Produkte am einfachsten gebündelt auf Bundesebene beschafft werden können. Auch muss ein gemeinsames Verständnis dafür gefunden werden, welchen Stellenwert jeweils Qualität, Nach­hal­tig­keit und Preis im Einkauf haben. Es braucht eine gemeinsame Be­schaf­fungs­stra­te­gie.

Gebündelte Be­schaf­fun­gen sehen sich zuweilen der Kritik ausgesetzt, dass sie den Mittelstand aus der öf­fent­li­chen Auf­trags­ver­ga­be verdrängen und damit den Wettbewerb be­ein­träch­ti­gen. Das könnte langfristig zur Ab­hän­gig­keit von wenigen Lieferanten führen. Gerade für Kommunen und Länder ist der Schutz des Mit­tel­stan­des ein wichtiges Anliegen. Der Einkauf für den Marktplatz sollte in ständigem Dialog mit den an­ge­spro­che­nen Branchen erfolgen. So kann frühzeitig erkannt werden, ob das gewählte Aus­schrei­bungs­de­sign mit­tel­stän­di­schen Unternehmen die Teilnahme erlaubt oder angepasst werden sollte

Außerdem ist beim Einrichten des Markt­plat­zes zu beachten, dass sich vereinzelt bereits kooperative Be­schaf­fungs­struk­tu­ren auf Bundes- und Landesebene entwickelt haben. Ein Beispiel sind die zahlreichen Sam­mel­be­schaf­fun­gen der Lan­des­mi­nis­te­ri­en, um den kommunalen Bedarf an Feu­er­wehr­aus­rüs­tung zu decken. Ein vom Bund ein­ge­führ­ter Marktplatz sollte die bestehenden Strukturen sinnvoll ergänzen und nicht verdrängen.

Der Marktplatz sollte im ersten Ansatz als „kleinstes funk­ti­ons­fä­hi­ges Produkt“ geplant werden, um schnell erste Ergebnisse liefern zu können. Zahllos sind die ver­wal­tungs­po­li­ti­schen Re­form­pro­jek­te, die aufgrund hoch­ge­steck­ter Ambitionen zu langsam in die Umsetzung kommen. Außerdem würde ein Ausbau des BeschA zur „Su­per­be­schaf­fungs­stel­le“ nach dem Vorbild der BBG oder UGAP eine Ver­fas­sungs­än­de­rung erfordern. Er­folg­rei­che Be­schaf­fungs­ko­ope­ra­tio­nen beginnen ohnehin meist informal mit einem kleinen Kreis Gleich­ge­sinn­ter, beschränkt auf einzelne Be­schaf­fungs­ge­gen­stän­de. Wenn erste Erfolge zu verbuchen sind, wachsen Be­schaf­fungs­ko­ope­ra­tio­nen in der Regel organisch. Aufbauend darauf können Strukturen verstetigt und for­ma­li­siert werden.

Schließlich wird es darauf ankommen, ob die Ko­ope­ra­ti­ons­part­ner ein neues Verständnis für den Fö­de­ra­lis­mus mittragen. Dazu gehört die Erkenntnis, dass ein Bürostuhl für Bayern nicht so andere An­for­de­run­gen hat als für Mecklenburg-Vorpommern. Durch die stärkere Stan­dar­di­sie­rung und Bündelung der Beschaffung auf Bundesebene wird zwar weniger individuell eingekauft. Doch erhalten die Länder und Kommunen die dringend benötigten Hand­lungs­spiel­räu­me für andere Aufgaben

Moderne Verwaltung braucht effiziente Beschaffung. Kooperation und Bündelung können dazu beitragen. Ein digitaler Marktplatz für Bund, Länder und Kommunen hat deshalb Potenzial – wenn er schlank und praxisnah startet.

Fahrplan Staats­re­form: Unsere Sonderreihe zum Ko­ali­ti­ons­ver­trag
Wir blicken auf einen Ausschnitt aus dem Ko­ali­ti­ons­ver­trag – und fragen: Was muss jetzt konkret passieren, damit Re­form­ver­spre­chen Realität werden? Stimmen aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Zi­vil­ge­sell­schaft geben Impulse für eine Staats­mo­der­ni­sie­rung, die wirkt.

Diesen Beitrag haben wir am 31. Juli 2025 in unserem Re:Form-Newsletter versendet. Melde Dich jetzt an und erhalte die neuesten Ausgaben direkt in Dein Postfach.