Fahrplan Staatsreform: Staatsmodernisierung beginnt mit Artikel 91c – und dem Mut, ihn umzusetzen
Dr. Franziska Brantner, Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen sowie ehem. Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK)
»Unabhängig von dieser Initiative wird der Bund im Bereich der Digitalisierung für ausgewählte Aufgaben mit hohem Standardisierungs- und Automatisierungspotenzial Vollzugsverantwortung übernehmen. Dafür werden wir in Abstimmung mit den Ländern eine Änderung von Art. 91c GG auf den Weg bringen, damit der Bund digitale Verwaltungsverfahren und Standards regeln und IT-Systeme errichten, betreiben und zur Mitnutzung zur Verfügung stellen kann.«
Aus dem Koalitionsvertrag, S.59.
Die Richtung stimmt: Der Bund soll Verantwortung übernehmen, wo Verwaltungsdigitalisierung besonders effizient und flächendeckend wirken kann. Doch damit aus diesem wichtigen Vorhaben eine echte Strukturreform wird, braucht es jetzt klare nächste Schritte. Denn was auf dem Papier plausibel klingt, scheitert in der Praxis oft am fehlenden Mut, wirklich umzusteuern, und auch neue Wege zu gehen.
Im neuen Bundesministerium für Digitalises und Staatsmodernisierung sollte umgehend ein kompaktes, durchsetzungsstarkes Steuerungsteam eingerichtet werden. Zwei bis drei Bundesländer – am besten vertreten durch Staatssekretär:innen –, dazu der Städte- und Gemeindetag, Vertreter:innen der Bundesregierung und der demokratischen Opposition. Nicht mehr als rund zwölf Personen – aber mit Mandat, Tempo zu machen. Dieses Team muss ressortübergreifend arbeiten und zentral steuern. Denn wer versucht, jede Dienstleistung zwischen Bund und Ländern einzeln zu digitalisieren, der verliert Jahrzehnte.
Als erstes sollte dieses Team erarbeiten, welche Leistungen zentral digitalisiert werden können. Kfz-Zulassung, Passbeantragung, Elterngeld – vieles liegt auf der Hand. Jetzt gilt es, zügig zu priorisieren. Die bisherigen Zuständigkeiten müssen dabei transparent gemacht und im Austausch mit den betroffenen Ebenen pragmatisch der gesetzlichen Grundlagen entsprechend ausgemistet und angepasst werden. Damit sie so vorbereitet sind, dass sie nach der Grundgesetzänderung sofort greifen können.
Ergänzt werden sollte das durch einen öffentlichen Beteiligungsprozess: Welche digitalen Services fehlen den Bürger:innen im Alltag am meisten? Was muss zuerst funktionieren? So entstehen Legitimation und Tempo zugleich.
In einem zweiten Schritt sollte der Bund eine digitale Infrastruktur zur Verfügung stellen und seine Dienstleistungen auf einer Plattform verfügbar machen – so wie es unser Plan der Deutschland-App vorsieht. Das kann man gut durch eine Ausschreibung machen, denn in Deutschland gibt es genug private Unternehmen, die diese technische Infrastruktur bereitstellen können.
So bauen wir Shared Services auf, der erste Schritt für eine Deutschland-App. Die dafür benötigte Infrastruktur sollte schon fertig ausgebaut sein, wenn die im Koalitionsvertrag angekündigte Grundgesetzänderung verabschiedet wurde.
Diese Grundgesetzänderung muss in einem dritten Schritt zügig vorbereitet und mit den Ländern abgestimmt werden. Denn klar ist: Es hängt nicht alles am Bund. Auch die Länder müssen bereit sein, Kompetenzen dort zu bündeln, wo es im Sinne der gemeinsamen Sache am effizientesten und für die Bürger am einfachsten ist.
Staatsmodernisierung gelingt nur, wenn sie partei- und ebenen-übergreifend gewollt ist. Es geht nicht darum, den Föderalismus auszuhöhlen – sondern ihn auf Zukunft zu stellen. Nur ein klar handlungsfähiger Staat kann Vertrauen erhalten und Digitalisierung tatsächlich umsetzen.
Abschließend gilt: Die Digitalisierung des Staates ist nicht nur ein technisches Projekt, sondern eine politische und gesellschaftliche Aufgabe. Sie erfordert den Mut, vertraute Muster hinter sich zu lassen und neue Wege zu gehen.
Wenn Bund, Länder und Kommunen jetzt gemeinsam anpacken, klare Verantwortlichkeiten schaffen und konsequent auf nutzerzentrierte Lösungen setzen, kann aus der viel beschworenen digitalen Verwaltung endlich Realität werden. Und der Staat beweisen, dass er nicht nur verwalten, sondern gestalten kann.
Fahrplan Staatsreform: Unsere Sonderreihe zum Koalitionsvertrag
Wir blicken auf einen Ausschnitt aus dem Koalitionsvertrag – und fragen: Was muss jetzt konkret passieren, damit Reformversprechen Realität werden? Stimmen aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft geben Impulse für eine Staatsmodernisierung, die wirkt.
Diesen Beitrag haben wir am 10. Juli 2025 in unserem Re:Form-Newsletter versendet. Melde Dich jetzt an und erhalte die neuesten Ausgaben direkt in Dein Postfach.