Was wäre, wenn der Staat Innovation treiben würde?

SPRIND ist das Reallabor für einen anderen Staat – wir betreiben In­no­va­ti­ons­in­ku­ba­ti­on durch Förderung und Fi­nan­zie­rung. Das heißt, dass wir sehen, wo auf dem Weg zwischen Forschung und Marktreife eine Lücke klafft, und diese Lücke versuchen wir dann zu schließen.

Bislang fallen wir bei der volks­wirt­schaft­li­chen Verwertung der exzellenten Ergebnisse unserer Hochschul- und For­schungs­land­schaft als Land dramatisch ab. Bei der staatlichen In­no­va­ti­ons­för­de­rung und -fi­nan­zie­rung gibt es Probleme auf ver­schie­de­nen Ebenen: Wir haben eine Miss­trau­ens­kul­tur und überwachen Prozesse zu viel­schich­tig. Wir schauen viel zu wenig auf die an­ge­streb­ten Resultate, sondern zuallererst auf die Einhaltung der vor­ge­schrie­be­nen bzw. eingeübten Prozesse.

Was wir deshalb brauchen, ist eine neue Ver­trau­ens­kul­tur: Wir müssen zuerst darauf schauen, was hinten herauskommt, und wenn das stimmt, wenn das gut ist, dann ist es in Ordnung. Dazu notwendig ist eine andere Form von Pro­jekt­ma­nage­ment, eine andere Pro­zess­kul­tur, anderes Leadership; kurz: Er­geb­nis­ori­en­tie­rung.

SPRIND wurde ur­sprüng­lich vom Kabinett Merkel im Jahr 2018 beschlossen und dann Ende 2019 als GmbH des Bundes gegründet. Das Ergebnis war eine etwas unfreie Kon­struk­ti­on, wir waren als Un­ter­be­auf­trag­te des Mi­nis­te­ri­ums Bildung und Forschung (BMBF) eine nach­ge­la­ger­te Einrichtung, die nur mühsam Neues in die Welt bringen durfte. Mit dem SPRIND-Gesetz vom 29. Dezember 2023 sind wir nun eine Behörde, die vom Souverän mit der Iden­ti­fi­zie­rung, Validierung und öf­fent­li­cher Förderung von Vorhaben beauftragt wurde, die das Potential für eine Sprung­in­no­va­ti­on aufweisen. Diese gesetzliche Be­auf­tra­gung ist für SPRIND der Schlüssel für ein wesentlich ei­gen­stän­di­ge­res Entscheiden und Handeln.

Der nächste Schritt ist nun: SPRIND richtig zu bauen. Wir haben bislang 1700 Pro­jekt­ein­rei­chun­gen gesichtet, sieben Challenges sind in der Durch­füh­rung, 13 Tochter-GmbHs gegründet, insgesamt weit mehr als 100 Projekte und Teams finanziert, betreut und gefordert. Es war ein wenig so, als hätten wir das Flugzeug gleich­zei­tig konstruiert und geflogen.

Schwierig war, dass wir zeigen mussten, was wir können, und gleich­zei­tig ar­ti­ku­lie­ren mussten, was für ad­mi­nis­tra­ti­ve Freiheiten wir brauchen, um unsere Arbeit wirklich gut und effizient zu machen. Aber wir hatten Alliierte auf allen Ebenen: in Ministerien und Kanzleramt von der Re­fe­ren­ten­ebe­ne bis ganz nach oben. In Bundestag und Bundesrat von den Fach­po­li­ti­kern aller Parteien und auch in Wis­sen­schaft, Industrie und Verbänden. Wir tun den Leuten in der Verwaltung und in der Politik unrecht, wenn wir sie alle in einen Sack stecken: Man findet immer Menschen, die etwas verändern wollen.

Und es sind letztlich immer Menschen, die den Unterschied machen. Das ist auch bei Innovator:innen so. Da sind nur die erfolgreich, die wirklich für eine Sache brennen. Da heißt es immer: ´10 percent innovation, 90 percent pre­spi­ra­ti­on´. Und gleich­zei­tig braucht es einen langen Atem, wie Beispiele geglückter Sprung­in­no­va­ti­on zeigen: Das kann im Einzelfall schon mal 20 bis 30 Jahre dauern, bis eine Sprung­in­no­va­tio­nen wirklich den ganz großen Markt­durch­bruch schafft.

Ich persönlich bin ein Veränderer und Aufbauer – ich habe das früher als Unternehmer und Investor gemacht und in den USA gelernt, was eine Giving-back-Mentalität bedeutet. Ich war in der Grün­dungs­kom­mis­si­on von SPRIND und habe dann meinen Hut in den Ring geworfen – und als ich dann das Angebot bekam, SPRIND zu leiten, habe ich sofort zugesagt.

Ich hatte noch nie im öf­fent­li­chen Raum gearbeitet, das hat mich gereizt. Es war das richtige Alter für mich, 55, es war die richtige Situation. Ich werde 60 dieses Jahr und bin sehr happy, dass ich diese Reise begonnen habe. Es ist ein Anfang. Es ist so etwas wie eine Minibeule im Universum.

The Bigger Picture von Georg Diez

Was bedeutet es, wenn der Staat un­ter­neh­me­risch handelt?

Im spät­ka­pi­ta­lis­ti­schen Zeitalter, in dem wir leben, stellen sich manche Fragen, die die Ver­gan­gen­heit struk­tu­riert haben, grund­sätz­lich anders. Etwa: Sind Staat und Markt getrennt zu denken? De facto ist der Staat aber schon immer Marktakteur, etwa durch In­ves­ti­tio­nen. Was passiert nun aber, wenn der „un­ter­neh­me­ri­sche Staat“, wie es etwa Rainer Kattel in seinem Buch „How to Make an En­tre­pre­neu­ri­al State“ beschreibt, zum In­no­va­ti­ons­trei­ber werden will

Er braucht, so sehen es Kattel und seine Ko-Autoren Wolfgang Drechsler und Erkki Karo, eine funk­tio­nie­ren­de Verwaltung, um das Beste von Staat und Markt zu­sam­men­zu­brin­gen. Die Autoren nennen es „agile Stabilität“. Wenn der Staat also wie ein Start-up funk­tio­niert – was für In­sti­tu­tio­nen sind dann notwendig, um diese Prozesse optimal und de­mo­kra­tisch zu gestalten? In­sti­tu­tio­nen-Design wird damit zum Demokratie-Design.