
Was wäre, wenn die Verwaltung Räume zum Ausprobieren schaffen würde?
Maral Koohestanian, Stadträtin und Dezernentin für Smart City, Europa und Ordnung, Landeshauptstadt Wiesbaden
Kira Tillmanns, Smart City Programmleiterin, Stadt Mönchengladbach
Yannick Müller, Projektmanager im Projekt Stadtlabor2Go, CityLAB Berlin
Wir können die Zukunft unserer Stadt gestalten. Und wir brauchen klimaverträgliche und alltagstaugliche Mobilitätskonzepte. Unsere Innenstädte müssen wir neu nutzen – und dabei die Potenziale der Digitalisierung schöpfen. Durch Stadtlabore schaffen wir Orte, die diese Anforderungen adressieren und dabei die Menschen in den Mittelpunkt stellen.
Im CityLAB Berlin haben wir gelernt, wie Beteiligung in der Stadt funktioniert. Welche Formate werden von Bürger:innen genutzt? Was braucht es, um in der Verwaltung die Akzeptanz für kreative Beteiligungsformate zu erhöhen? Wie bringen wir auch die Menschen in die Beteiligung, die in den bisherigen Prozessen wenig gehört werden, zum Beispiel Jugendliche und Menschen mit Migrationshintergrund?
Nicht alles, was in der Stadt passiert, muss allein aus der Verwaltung entstehen. Durch den demografischen Wandel werden wir in absehbarer Zeit nicht mehr in der Lage sein, alle Aufgaben in der Stadt durch die Verwaltung allein zu erledigen. Die Städte sind deshalb auf zivile Partnerschaften auf Augenhöhe angewiesen. Aus unseren Erfahrungen in Berlin im Bereich der Nutzerzentrierung haben wir das Handbuch für öffentliches Gestalten verfasst.
Über das NExT Netzwerk sind die Städte Mönchengladbach und Wiesbaden auf das CityLAB aufmerksam geworden. Zu dritt haben wir die Idee für das Stadtlabor2Go entwickelt. Dort bereiten wir neue Formen der Zusammenarbeit für Digitalisierungsprozesse so auf, dass andere Städte sie leicht nachnutzen und mit Bürger:innen anstoßen können. Wir haben direkt Nägel mit Köpfen gemacht: Konzeptentwicklung, Vergabeprozesse, Umbau des Raumes und Öffentlichkeitsarbeit liefen parallel und in enger Zusammenarbeit der vielen Fachbereiche in der Stadtverwaltung. So haben wir es geschafft, nur sechs Monate später das Zukunftswerk in Wiesbaden zu eröffnen. Und bald startet auch das CitizenLAB Mönchengladbach.
Das alles war nicht zuletzt auch deshalb möglich, weil wir politische Unterstützung bis in die Bürgermeister-Ebene hatten und in schon bestehende Räume einziehen konnten. Für diesen schnellen Prozess hat die enge Unterstützung durch das CityLAB Berlin, das ein Projekt der Technologiestiftung Berlin ist und durch die Berliner Senatskanzlei gefördert wird, sehr geholfen. Für die Nachnutzung mit dem Stadtlabor2Go sind Wiesbaden und Mönchengladbach nun mit dem Ko-Pionier-Preis (1. Platz in der Kategorie Gesellschaftlicher Zusammenhalt) ausgezeichnet worden.
Sowohl im CitizenLAB Mönchengladbach als auch im Zukunftswerk Wiesbaden liegt der Fokus auf Digitalisierung. In Mönchengladbach können die Nutzer:innen die Mönchengladbach-App schon in der Beta-Phase mitgestalten. Dort sollen relevante Alltagsservices wie Mobilitäts- und Verwaltungsdienstleistungen zugänglich sein und Neuigkeiten zum Stadtleben auftauchen. In Wiesbaden haben Smartphone-Kurse für ältere Menschen und KI-Workshops zur praktischen Anwendung im Alltag stattgefunden. Wir erleben schon jetzt immer wieder neu, wie groß das Interesse der Bürger:innen ist. Die Begegnungen machen viel Energie vor Ort frei. Wenn Menschen merken, dass ihre Ideen zählen, dann schließt das auch Gräben, die wir aktuell in der Demokratie haben.
Aus der Arbeit unserer drei Städte werden Beteiligungsformate geschaffen, die auch andere Städte adaptieren können. Viele Kommunen stehen vor der Herausforderung, Digitalisierungsprozesse bürgernah, effizient und nachhaltig zu gestalten. Aktuell entstehen digitale Lösungen oft isoliert, ohne dass andere Städte davon profitieren. Das führt zu Dopplungen, ist damit teuer und dauert lang.
Beteiligungsformate sind innerhalb der Verwaltung ungewohnt – auch weil man sich oft schwertut, Verantwortung und Vertrauen wirklich zu teilen. Smart City klingt für viele in und außerhalb der Verwaltung immer noch abstrakt. Aber gerade für die Digitalisierung sind wir auf die Nutzerbereitschaft der Bürger:innen angewiesen. Es geht darum, wie wir offene Daten nutzen können, um zum Beispiel bessere Radwege zu entwickeln. Eine zentrale Frage ist: Welche städtischen Herausforderungen lassen sich mit einem digitalen Zwilling simulieren, bevor städtische Projekte geplant und realisiert werden?
Ein Stadtlabor ist ein Ort, der zeigt, wie moderne Stadtentwicklung funktionieren kann – offen, kreativ und auf Augenhöhe. Wir müssen mutig sein und auch mit halbfertigen Ideen hinausgehen. Denn echte Innovation entsteht im Dialog. Das ist besser, als einen Prozess bis zum Ende durchzudenken und dann zu merken, dass die Lösung nicht zum Problem passt und führt auch dazu, dass die digitalen Angebote mehr genutzt werden. Wir wollen aufzeigen, wie eine auf den Menschen ausgerichtete Digitalisierung in Kommunen umgesetzt werden kann.
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Der Ko-Pionier-Preis würdigt den großen Aufwand, für die Adaption bereits bestehender Lösungsansätze an die eigene Verwaltungswirklichkeit. Denn gute Verwaltungslösungen gibt es schon, sie müssen nicht immer neu erfunden werden. Deswegen haben wir gemeinsam mit dem Behörden Spiegel, Deutschen Landkreistag, Deutschen Städte- und Gemeindebund, der FITKO, Fraunhofer FOKUS, GovDigital, KGSt und dem NExTNetzwerk, im März 2025 zum ersten Mal Menschen in Verwaltungen oder ganze Verwaltungsbereiche mit dem Ko-Pionier-Preis ausgezeichnet, die bereits bestehende Verwaltungslösungen nachnutzen – statt alles neu zu denken.
Diesen Text haben wir am 22. Mai 2025 in unserem Re:Form-Newsletter versendet. Melde Dich jetzt an und erhalte die neuesten Ausgaben direkt in Dein Postfach.