Was wäre, wenn wir das Potenzial von KI nachnutzen würden?

Nicole Baeumer, Pro­jekt­lei­te­rin der Smart City Lemgo und Kalletal, Jonas Troles, leitender Entwickler von BaKIM, ehemals Universität Bamberg und heute Stadt Bamberg

 

BaKIM. Das steht für Baum, KI, Mensch – unsere Arbeit hilft, Baum­be­stän­de und Waldstücke in den Städten digital erkennbar zu machen. Wir un­ter­stüt­zen damit Förster:innen und Baumpfleger:innen in ihrer Arbeit, Baum­be­stän­de an die men­schen­ge­mach­te Klimakrise anzupassen. Von Beginn an haben wir in Bamberg dabei mitgedacht, wie BaKIM von anderen Kommunen weiter genutzt werden kann. Lemgo hat als erste Kommune BaKIM nachgenutzt und wurde dafür mit dem Ko-Pionier-Preis  (1. Platz in der Kategorie Di­gi­ta­li­sie­rung in der Verwaltung) aus­ge­zeich­net.

Die Initiative kam von Förster:innen und Baumpfleger:innen aus Bamberg. Der Wald ist durch die Klimakrise stark angegriffen und braucht besonders viel Pflege und Um­struk­tu­rie­rung, hierfür gibt es bisher wenig Daten. Die Förster:innen und Baumpfleger:innen müssen sich auf ihr Gefühl und ihre Erfahrung verlassen. Je größer aber die Flächen und je mehr Bäume krank sind, desto un­über­sicht­li­cher wird die Situation. Deshalb haben sie sich re­prä­sen­ta­ti­ve Daten für ihre Arbeit gewünscht. 

Der Prozess von BaKIM läuft so: Zuerst wird die Waldfläche mit einer hoch­auf­lö­sen­den Kamera-Drohne überflogen, die Bilder zu einem geo­re­fe­ren­zier­ten Luftbild zu­sam­men­ge­fügt und so auf einer Karte dargestellt. Dann wenden wir tiefe neuronale Netze darauf an, die einzelne Bäume erkennen, ihre Gattung bestimmen, ihre Vitalität beurteilen und den Befall mit Misteln, die die Nähr­stoff­adern der Bäume anzapfen, feststellen. Das ermöglicht den Mitarbeiter:innen des Forstamts zum Beispiel dort Maßnahmen gegen Misteln einzuleiten, wo der Befall besonders hoch und die Bäume schon stark angegriffen sind. Sie können aber auch feststellen, welche Baumarten in welcher Zahl in ihren Beständen wachsen, denn einige Arten vertragen Hitzewellen besser als andere.

In einem Ver­bund­pro­jekt des Forstamts Bamberg, der Smart City Bamberg und der Universität Bamberg wurde das Projekt BaKIM an dem Lehrstuhl für Kognitive Systeme der Uni Bamberg initiiert. Gefördert wurde diese Ent­wick­lungs-Phase vom Bayerischen Staats­mi­nis­te­ri­um für Digitales. Mit der Förderung haben wir Bilder von 27.000 Bäumen aufgenommen und diese nach den Variablen Gattung, Vitalität und Misteln gelabelt, die die KI auswerten soll. Den Datensatz haben wir letztes Jahr ver­öf­fent­licht. Auch den Code für unsere KI werden wir noch dieses Jahr ver­öf­fent­li­chen, denn unsere trainierten neuronalen Netze haben eine gute Ge­ne­ra­li­sier­bar­keit und können auch auf ähnlichen Flächen genutzt werden.

In der Nachnutzung wollten wir aber noch weitergehen: Wir wollten nicht nur den Code ver­öf­fent­li­chen und hoffen, dass ihn jemand findet und für sich nutzt, BaKIM sollte in die Breite gebracht werden. Die Entwicklung von BaKIM hatt fast 500.000 Euro an Steu­er­gel­der gekostet. Das wollten wir nicht nur für unseren Wald in Bamberg nutzen. Wir sind zu Ver­an­stal­tun­gen gefahren und haben für die Nachnutzung von BaKIM geworben.

Auch in Lemgo hatten sich Förster:innen schon länger Daten zur Um­welt­sen­so­rik gewünscht. Wir aus Lemgo sind im letzten Jahr über das Smart City Netzwerk auf die Lösung aus Bamberg aufmerksam geworden. In die Nachnutzung haben wir direkt die Förster:innen mit eingebunden. So war si­cher­ge­stellt, dass wir in der Übertragung die Lösung auf die Bedürfnisse der Förster:innen und Baumpfleger:innen in Lemgo anpassen und sie das Programm für ihre Arbeit nutzen. Misteln sind in Lemgo zum Beispiel kein Problem. Wir mussten aber einen Dienst­leis­ter finden, der die Waldfläche in Lemgo befliegen konnte. Es war gar nicht so leicht, ein gutes und fi­nan­zier­ba­res Angebot zu bekommen. 

Dank der Förderung durch das Bun­des­för­der­pro­gramm Mo­dell­pro­jek­te Smart Cities (MPSC) konnte Jonas uns hier intensiv begleiten. Sein Einsatz bei dem Transfer der Lösung ist wohl der Er­folgs­fak­tor für unsere Nachnutzung. Er stand in direktem Kontakt mit unseren Förster:innen in Lemgo, un­ter­stütz­te bei der Aus­schrei­bung für den Dienst­leis­ter, wertete die dort gewonnenen Daten mit der KI über sein System in Bamberg aus und spielte sie dann zurück nach Lemgo. Her­aus­for­dernd war unter anderem, dass die Forst­be­hör­den ver­schie­de­ne Systeme nutzen, sodass es zunächst Probleme beim Ablesen der Geo­in­for­ma­ti­ons­da­ten gab. Da in Bamberg aus der Entwicklung aber alles an notwendigem Know-how vorhanden ist, ist die Übertragung der Daten dennoch gelungen. 

Nach Lemgo haben wir im letzten Sommer auch in Markt­wei­sen­dorf mit der Nachnutzung begonnen. Mit drei weiteren Kommunen sind wir für diesen Sommer im Gespräch. Wir sehen uns damit als ein Vor­zei­ge­pro­jekt der Mo­dell­pro­jek­te Smart Cities, denn das Ziel des Programms ist, lebendige Netzwerke zu schaffen, die sich gegenseitig un­ter­stüt­zen, voneinander lernen und Lösungen sowie Erfahrungen teilen, von denen alle Kommunen profitieren.

Wir wollen jetzt gemeinsam BaKIM noch wei­ter­ent­wi­ckeln und auf eine Website übertragen. Dort können Kommunen ihre Luftbilder hochladen und erhalten dann die aus­ge­wer­te­ten Bilder für ihre Forstämter. Auch eine Verknüpfung mit Echt­zeit­da­ten, um Wald­brand­ge­fah­ren zu verhindern, haben wir geplant. 

Was für ein Mehrwert ist durch diese Nachnutzung entstanden? Wie viel Geld wäre erneut investiert worden, wenn Lemgo selbst eine KI entwickelt hätte?

Die Zahlen sprechen für sich: Bei der Nachnutzung entstanden nur noch die Kosten für den Droh­nen­über­flug. Die gut trainierten tiefen neuronalen Netze konnten zur Auswertung einfach wei­ter­ver­wen­det werden, so wie es von Beginn an geplant war. Der Transfer von BaKIM nach Lemgo kostete damit nur ca. 6.500 Euro, das sind knapp 1 % der Ent­wick­lungs­kos­ten. Effizienter kann man Steu­er­gel­der wohl kaum einsetzen.

Der Ko-Pionier-Preis würdigt den großen Aufwand, für die Adaption bereits bestehender Lö­sungs­an­sät­ze an die eigene Ver­wal­tungs­wirk­lich­keit. Denn gute Ver­wal­tungs­lö­sun­gen gibt es schon, sie müssen nicht immer neu erfunden werden. Deswegen haben wir gemeinsam mit dem Behörden Spiegel, Deutschen Land­kreis­tag, Deutschen Städte- und Ge­mein­de­bund, der FITKO, Fraunhofer FOKUS, GovDigital, KGSt und dem NExT­Netz­werk, im März 2025 zum ersten Mal Menschen in Ver­wal­tun­gen oder ganze Ver­wal­tungs­be­rei­che mit dem Ko-Pionier-Preis aus­ge­zeich­net, die bereits bestehende Ver­wal­tungs­lö­sun­gen nachnutzen – statt alles neu zu denken.

Diesen Text haben wir am 15. Mai 2025 in unserem Re:Form-Newsletter versendet. Melde Dich jetzt an und erhalte die neuesten Ausgaben direkt in Dein Postfach.