Modernisierungsagenda des Bundes: umfassend, aber noch Luft nach oben
Markus Leick, Re:Form, ProjectTogether
Es hat in den letzten Jahrzehnten keine weitreichendere Agenda zur Staatsreform gegeben. Das Bundesministerium für Digitalisierung und Staatsmodernisierung (BMDS) hat unter schwierigen Bedingungen – wenig Zeit, paralleler Ministeriumsaufbau, komplexe Themen – beachtliche Arbeit geleistet.
In der am 1. Oktober veröffentlichten Modernisierungsagenda ist vieles bereits gut. Dennoch wird das bisherige Ambitionsniveau nicht ausreichen, um Staat und Verwaltung zukunftsfest aufzustellen. Gravierendste Lücke ist sicherlich, dass das föderale Gegenstück der Bundesagenda, die Staatsreform auf Länder- und Kommunalebene, noch in der Bearbeitung ist.
Positiv ist, dass die Modernisierungsagenda viele Anliegen aufgreift, die Re:Form und andere Akteur:innen seit Langem einfordern: mehr Wirkungsorientierung, digital gedachte Gesetzgebung („law as code“), Verzicht auf unnötige Auflagen bei EU-Umsetzungen („gold plating“), Experimentierklauseln, die Bündelung staatlicher Leistungen, ressortübergreifende Zusammenarbeit, einen internen Stellenmarkt der Bundesverwaltung sowie ein modernisiertes Dienstrecht, das Durchlässigkeit, Führungs- und Fehlerkultur fördert. Einige der benannten „Hebelprojekte“ wie das iKfz-Portal, der Bauturbo oder Unternehmensgründungen binnen 24 Stunden bieten zudem die Chance, die Staatsmodernisierung anschaulicher in die Breite zu kommunizieren und für sie zu werben.
Auch die Struktur der Modernisierungsagenda mit Zielbildern, Maßnahmen, Indikatoren und Fristen verdient Anerkennung. Sie schafft Transparenz und macht Fortschritte überprüfbar, selbst auf die Gefahr hin, dass Zielverfehlungen politisch angegriffen werden können. Diese Offenheit sollte man würdigen, auch wenn einige Fristen zu großzügig und manche Indikatoren noch zu vage sind („Bürgerinnen und Bürger [...] nutzen das digitale Bürokratiemeldeportal“ ; „spürbare Reduzierung von EU-Durchführungsrechtsakten“).
Welche Wirkung bestimmte Vorhaben erzielen, hängt stark von der Umsetzung ab: Welche Prozesse folgen aus einem „Bürokratiemelder“, damit Meldungen auch tatsächlich zu Veränderungen führen? Wie wird er vor konzertierten Lobbyaktionen geschützt? Und wo setzt der geplante Personalabbau an: bei unnötigen Doppelstrukturen oder doch bei wichtigen Kontrollfunktionen wie Prüfungen zur Steuerehrlichkeit?
Gravierender sind jedoch die Leerstellen. Viele über Jahrzehnte gewachsene und im Stückwerk überarbeitete Gesetze gleichen heute eher veralteter Software. Statt immer neue Patches einzuspielen, wäre es auch hier nötig, sie von Grund auf neu zu schreiben. Das Sozialgesetzbuch mit seinen unterschiedlichen Definitionen und der Regelungsdichte bis auf die letzte Detailebene mag hier ein Beispiel sein. Solche tiefgreifenden Ansätze klingen in der Agenda bislang nicht an.
Es ist unglücklich, dass es neben der Agenda „Bund“ noch keine Agenda „föderal“ gibt. Denn gerade auf Ebene der Kommunen werden die meisten staatlichen Leistungen erbracht, und hier entscheidet sich, wie sehr Bürger:innen Modernisierung im Alltag tatsächlich spüren. Ob es gelingt, beide Teile zu einer echten gesamtstaatlichen Modernisierungsagenda zu verweben, ist in den kommenden Monaten eine entscheidende Frage.
Im Sinne der öffentlichen Akzeptanz bis Begeisterung für die Staatsmodernisierung bleibt die Frage offen, inwiefern das Vorwort der Modernisierungsagenda reicht, ein positives Zukunftsbild des Staates zu zeichnen. Der politische und mediale Diskurs dreht sich bisher fast ausschließlich um „Bürokratierückbau“. Das ist jedoch kein Zukunftsentwurf. Die nun als Vision benannten Attribute „schnell, digital und handlungsfähig“ oder „mehr Vertrauen“ sind nicht zu beanstanden, nur eine Erzählung ist daraus noch nicht entstanden.
Die Modernisierungsagenda ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung – trotz Lücken und einem gemessen an den Problemen noch nicht ausreichenden Ambitionsniveau. Ob sie erfolgreich umgesetzt wird, hängt von der Kooperationsfähigkeit der gesamten Koalition sowie den Ländern ab. Klar ist: Die Agenda und das BMDS als ihr Antreiber brauchen Unterstützung. Gefragt sind nun alle Ressorts und die politischen Entscheidungsträger:innen. Nur im Schulterschluss kann es gelingen, den Staat wirklich schlanker, schneller und leistungsfähiger zu machen und damit seine Akzeptanz wieder zu erhöhen.
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Diesen Text haben wir am 2. Oktober 2025 in unserem Re:Form-Newsletter versendet. Melde Dich jetzt an und erhalte die neuesten Ausgaben direkt in Dein Postfach.