
Was wäre, wenn Mehrweg mit einer Verpackungssteuer zum Standard werden würde?
Tobias Staufenberg, Stabstelle Umwelt- und Klimaschutz, Universitätsstadt Tübingen
Überquellende Mülleimer, verschmutzte Straßen und hohe Entsorgungskosten prägen vielerorts das Stadtbild. Gerade Einwegverpackungen aus der Gastronomie wie Kaffeebecher, Dönerboxen oder Pizzakartons sind ein wachsendes Problem. Sie landen oft in öffentlichen Mülleimern, deren Entleerung die Allgemeinheit bezahlt. Appelle, freiwillig Mehrweg zu nutzen und sogar Rabatte für Kund:innen mit Mehrweg haben nicht gefruchtet.
Deshalb hat die Stadt Tübingen eine Verpackungssteuer eingeführt. Seit dem 1. Januar 2022 müssen Verkaufsstellen von Einwegverpackungen, -geschirr und -besteck eine Abgabe leisten, wenn sie darin Speisen oder Getränke zum Mitnehmen ausgeben. Pro Verpackung, Schale oder Becher werden 50 Cent fällig, für Besteck oder Trinkhalme 20 Cent.
Gleichzeitig haben wir schon ab 2020 ein Förderprogramm aufgelegt, das 110 Gastronomiebetriebe bei der Einführung von Mehrweg unterstützt hat. Betriebe konnten hierbei 500 € für Mehrweggeschirr und bis zu 1.000 € für eine Spülmaschine erhalten. Denn auf Speisen und Getränke in Mehrwegbehältern fällt die Abgabe nicht an.
Mit sichtbarer Wirkung. Heute bieten rund 140 Betriebe in Tübingen Mehrwegbehältnisse an, viermal so viele wie vor Einführung der Steuer. Das Stadtbild hat sich spürbar verändert. Mehrwegbecher und -schalen sind allgegenwärtig, der Bauhof berichtet von weniger überquellenden Mülleimern und deutlich weniger Handarbeit beim Aufsammeln von Abfällen. Dafür wurde die Verpackungssteuer Tübingen mit dem „Bewährt vor Ort“-Siegel in der Kategorie „Klima- und Ressourcenschutz sowie Klimafolgeanpassung“ ausgezeichnet.
Auch die Finanzen zeigen, dass sich das Modell trägt. 2022 lagen die Verpackungssteuereinnahmen bei rund einer Million Euro, die Personalkosten für die Steuerverwaltung dagegen bei nur etwa 100.000 Euro.
Allerdings war der Weg zur Verpackungssteuer auch kein einfacher Prozess. Ende 2018 beauftragte der Gemeinderat die Stadtverwaltung damit, einen Vorschlag für eine kommunale Verpackungssteuer zu erarbeiten. Im Januar 2020 wurde die Steuersatzung beschlossen und ursprünglich sollte sie Anfang 2021 in Kraft treten. Aufgrund der Corona-Pandemie wurde der Start sechs Monate später auf den 1. Januar 2022 verschoben.
Dazu gab es auch rechtliche Hürden. Einer Klage gegen die Verpackungssteuer wurde zunächst in erster Instanz stattgegeben. Doch in der Revision wurde sie vom Bundesverfassungsgericht zurückgewiesen.
Damit ist endgültig klar: Kommunale Verpackungssteuern sind zulässig und andere Kommunen können rechtlich sicher auf unserem Modell aufbauen. Ein großer Erfolg nicht nur für den Umweltschutz, sondern auch für die kommunale Selbstverwaltung. Konstanz und Nellingen sind bereits dem Beispiel gefolgt und haben eigene Verpackungssteuern eingeführt. Auch Freiburg steht in den Startlöchern.
Veränderung braucht Entschlossenheit und manchmal auch langen Atem. Unser Wunsch für die Zukunft ist, dass noch mehr Kommunen den Mut finden, eigene Verpackungssteuern einzuführen. Die rechtlichen Hürden haben wir genommen. Jetzt gilt es, diese Chance zu nutzen. Denn die Umstellung auf Mehrweg ist nicht nur ein Gewinn für unsere Städte, sondern auch für den Schutz unserer Umwelt.
Erfahre mehr:
- Verpackungssteuer Tübingen
- Bewährt vor Ort
- Umsetzungsallianz mehrweg.einfach.machen
- Mehrwegverband Deutschland e.V.
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